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Ausgewählte Beiträge aus dem Satire-Magazin DER METZGER


Lina Ganowski

Bei un gib kei Naz


(Der Metzger 117, April 2016)


Europäer sind seit je für ihre Reiselust bekannt. Sie sind Hinfahrer. Kein Kontinent war vor ihrem Eroberungsdrang sicher. Den größten (soll heißen: schlimmsten) Eindruck haben der Menschheit die Deutschen hinterlassen.

Es gibt auch die umgekehrte Richtung. Die Flüchtlinge zieht es instinktiv zu den Ursachen ihrer Flucht. Sie kommen mit leeren Händen, unbewaffnet.

Bei den Deutschen, die das, nachdem sie so viel Elend über die Völker gebracht haben, gar nicht sehr belastet, regt sich Unruhe. Diese wird meßbar durch Wahlergebnisse.

Der mehr oder weniger überraschende Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) wird als Strohfeuer deklariert. Neben Selbstmitleid und der Lust am Beleidigtsein gehört Beschwichtigen zu den Ausdrucksmerkmalen der deutschen Misere. Auch die Piraten seien, als man merkte, daß die nichts können, wieder in der Versenkung verschwunden, und so werde es mit der AfD auch ausgehen. Übersehen wird dabei: Die Piraten sind keine Faschisten. Die AfD wird auf jeden Fall Spuren hinterlassen in dem Land in der Mitte des Kontinents, der gerade die Demokratie von sich abstreift: Schaut nach Polen und Ungarn, nach Frankreich und Italien, nach Holland und Belgien, nach England und Skandinavien. Damit schwindet für die Regierenden und die Wirtschaftseliten die Notwendigkeit, aus Rücksicht auf das Ausland den Drang nach rechts zu bremsen.

Die Politiker der „Volksparteien“ zeigen sich „entsetzt“ oder „bestürzt“, und der AfD-Wähler merkt: Das haben wir gut gemacht.

Die AfD wird, sollte sie wieder verschwinden, anderen den Weg geebnet und das Klima, in denen gesellschaftliche Konflikte ausgetragen werden, verändert haben.

Ihr Nachbar regt sich auf: Man kann den Fernsehapparat nicht mehr anmachen, ohne dauernd was von Flüchtlingen erzählt zu kriegen. Morgens, mittags, abends, dauernd: Flüchtlinge.

Die Menschen sitzen in Schlauchbooten bei Sturm. Dann sitzen sie im Schlamm, bei Minusgraden, keine Toiletten, kein Wasser, kein Kälteschutz, tagelang. Aber die wirklichen Leidtragenden sind die deutschen Fernsehzuschauer. Einem dermaßen gemütskranken Volk ist alles zuzutrauen.

Es gibt kein Anrecht, vor „Überfremdung“ bewahrt zu werden – bloß weil die Blöden zu blöd sind, um vor Fremden keine Angst zu haben. Gefährlicher als die Gewählten sind die Wähler, und in Deutschland droht Gefahr – nicht von den Fremden, sondern von den Deutschen.

Man solle doch umhimmelswillen die AfD-Wähler nicht ausgrenzen. Warum eigentlich nicht? Warum sollte man sie nicht die ganze Verachtung der zivilisierten Gesellschaft spüren lassen? In „Ausgrenzen“ ist das Deutschevolk doch geübt – warum nicht mal in die richtige Richtung, nämlich, wenn nicht der Gartenzwerg verteidigt wird, sondern die conditio humana! „Wehret den Anfäng-en“ heißt es doch, und nicht erst den Vollendungen.

Einige – oder sogar die meisten AfD-Wähler seien doch gar nicht rechts, sondern wollen doch nur mal einen Warnschuß abgeben. Ach! Ja? Ein Mann mit einem brennenden Streichholz an einem Benzinfaß ist ein Mann mit einem brennenden Streichholz an einem Benzinfaß. Bei der Einschätzung der Gefährdung spielt es in diesem Fall keine Rolle, ob er ein Nazi ist oder nur normalblöd. Niemand hat das Recht, Rattenfängern auf den Leim zu gehen.

Die Bürger sind mit dem, was „die Politiker“ tun, „nicht zufrieden“. Keiner von den AfD-Wählern wäre in der Lage, in drei zusammenhängenden Sätzen zu erklären, was er – aber bitte genau – damit meint.

„Die Volksvertreter“ sollen endlich tun, was das „Volk“ will. Dem „Volk“ scheint sehr viel daran gelegen zu sein, daß die Klimakatastrophe nicht verhindert wird. Denn das AfD-Parteiprogramm sieht vor: Schluß mit der Klimapolitik.

Ja, wenn die AfD-Wähler wüßten, was im AfD-Programm steht! Ja, was dann? Da steht: Weniger Steuern für Reiche, Arbeitslosengld wird gestrichen. Das wird die Arbeitslosen unter den AfD-Wählern kaum davon abhalten, weiterhin AfD zu wählen. Den Neidern und Hassern geht es weniger um den eigenen Vorteil, sondern um den Nachteil der anderen. „Am Ende ist der ärmste Mann dem anderen viel zu reich“, heißt es in dem berühmten Wiener Lied von Ferdinand Reimund. Das Volk gegen seine eigenen Interessen aufzuwiegeln ist seit je kapitalistische Staatskunst.

Die Gesellschaft in Deutschland ist nicht fähig, den Aufstieg der Faschisten abzuwehren. Wer gegen ein NPD-Verbot ist, weil man sich mit ihr „inhaltlich auseinandersetzen“ müßte, sagt mit anderen Worten, daß er gar nicht willens ist, sich mit der NPD überhaupt auseinanderzusetzen. Jahrzehnte der Verdrängung und Selbsttäuschung haben sich eingeprägt in einem Land, in dem nach 1945 die Verfolgten weiter verfolgt wurden und die Täter weiter bestimmten.

Und was wären deutsche Nazis ohne ihre Freunde und Helfer bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten und Geheimdiensten?