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Ausgewählte Beiträge aus dem Satire-Magazin DER METZGER



Lina Ganowski:

Romy und die Geier

(Der Metzger 56, Februar 1999)


Wenn ein Prominenter nicht mehr lebt, erweitert sich sein Bekanntenkreis beträchtlich: Alice Schwarzer kannte Romy Schneider.

Im letzten November war ein Jahrestag, und da sind alle nochmal über Romy Schneider hergefallen. Sowas passiert in Schüben. Es war schon zu ihren Lebzeiten so, und auch zu ihren Lebzeiten konnte sie sich dagegen nicht wehren. Die Öffentlichkeit, die Schlüssellochgucker und Gaffer und die, die die Gaffer bedienen, die "freie Presse", haben Romy Schneider übel mitgespielt. Ständig in eine verzerrte Gestalt gepreßt und in ganz unauthentischer Weise herumgereicht zu werden muß schrecklich sein. Schon in den letzten Jahren ihres Lebens reichte man sie als tragische Gestalt herum. Die da herumreichten, hatten die Tragik dieser Gestalt produziert. Nicht, daß sie Liebeskummer hatte, war ihr Unglück, sondern, daß ihr Liebeskummer von den Zeitungsjungen herumposaunt wurde. Die Tendenz zur Gefühllosigkeit steigert die Tendenz zur Sentimentalität. Man schaut gern Leuten beim Traurigsein zu.

Wäre es zu einfach, Romy Schneider als das zu nehmen, was sie war und als was sie sich auch selbst darstellte? Als Mitwirkende in einigen Filmen, von denen fast alle, die nach ihrem Wechsel von Deutschland nach Frankreich entstanden, sehenswert sind, einige davon gerade ihretwegen, und als die Verkörperung weiblicher Schönheit, die zu bewundern durch den Respekt allemal legitimiert ist.

Doch die Geier kreisen. Ein Beispiel von besonderer Pikanterie ist das Buch von Alice Schwarzer mit dem Titel "Romy Schneider - Mythos und Leben". Um in diese Vereinnahmung einzublicken, konnte man sich die Ausgabe von 36 Mark sparen, denn in der Illustrierten "Neue Revue" faßte Alice Schwarzer ihre Romy-Weisheiten auf zwei Seiten zusammen: "Meine Champagner-Nacht mit Romy" ist ihr Artikel überschrieben und illustriert mit einigen großen Romy-Bildern und einem kleinen Alice-Foto. Da kontrastiert auf einer Doppelseite der faszinierendste Hintern der Filmgeschichte mit dem selbstgefälligsten Grinsen unserer Tage.

Alice Schwarzer behauptet, Romy Schneider einmal sogar persönlich begegnet zu sein, und sie beschreibt es im Duktus des Kitschromans: "Ins Bett gehen wollte Romy auch an diesem Abend nicht. Noch nachts um eins beschwatzte sie mich, weiterzureden, und kam - nicht ohne im Restaurant zwei, drei Flaschen Champagner zu greifen - mit zu mir nach Hause. Es wurde eine lange Nacht. Und ich begann zu ahnen, daß Romys lange Nächte viel mit ihrer Angst vor Einsamkeit zu tun haben." Hätte sie einen Landser-Roman über die Hunnen in Frankreich schreiben wollen, müßte es "Schampus" heißen. Aber die Autorin ist eine Dame von Welt, und darum ist es Champagner, der da "gegriffen" wird. Daß Romy Schneider sich vor Einsamkeit fürchtete, mag man noch glauben, aber daß die Angst vor Einsamkeit so groß ist, daß man den Impuls überwindet, das Weite zu suchen, bevor man sich etwas aussetzt, was zur langen Nacht mit Alice Schwarzer ausartet, glaubt keiner. Aber ja doch, so war es (will sie uns glauben machen): "Wir klemmen uns die ihr unentbehrlichen Rotweinflaschen unter den Arm und steigen hoch in meine Kombüse, die so klein ist, daß wir uns aufs Bett hocken müssen." Was jetzt? Rotwein oder zweikommadrei Flaschen Champagner? Beides ist wohl zu schön um nicht erfunden zu sein: Die Flaschen gegriffen und lässig unter den Arm geklemmt, hinauf in die Kombüse und aufs Bett gehockt. Alles im Präsenz. Man spürt, wie es knistert. Man ist hineingebannt in die lange Nacht. Und dann kommt es wie es kommen muß: Ein Gespräch von Frau zu Frau, bei dem man sich "mal so richtig ausspricht".

"Sie träumt von der großen Liebe, einem Menschen fürs Leben, dem zweiten Kind und selbstgestrickten Pullovern. Das eine schließt das andere aus. Heute. Aber sie will beides. Hier! Heute! Sofort! Alles! Oder nichts..."

Ein Glück, daß wenigstens nicht jetzt das Strickzeug hervorgeholt wurde. Aber Kind und Pullover? Das eine schließt das andere aus. Heute. Ach! Wie wir Frauen doch leiden müssen! Worunter ich leide ist diese Sprache, dieses Stakkato, das eine Dramatik vortäuscht, die keine ist: Romy Schneider auf dem Bett von Alice Schwarzer schreit: Ich will hier sofort ein Kind und einen Pullover, oder gar nichts Pünktchen Pünktchen Pünktchen!

Es kommt noch blöder: "Wir sprechen überwiegend französisch, obwohl wir beide Deutsche sind. Gleichzeitig fühlen wir beide uns hoffnungslos deutsch. Und das scheint nicht das einzige, was uns in Romys Augen verbindet." Hoffnungslos schlechtes deutsch: "Und das scheint nicht das einzige". Was scheint es nicht? Zu sein, Mensch! Alice Schwarzer ist zwar eine so tolle Nummer, daß sie französisch parliert, aber hoffentlich nicht so schlecht wie sie deutsch schreibt.

Doch weiter, es kommt nämlich noch blöder: "Einmal beginnt sie zu weinen: 'Ich finde dich sehr deutsch', sage ich zu ihr, und sie antwortet: 'Das finde ich auch.' 'Aber tut es dir dann nicht weh, dauernd im Ausland zu leben?' Sie schweigt lange." Das gehört nämlich zu so einem Gespräch von Frau zu Frau: das Schweigen, das alles sagt. "Dann sagt sie stockend: 'Aber wenn man dir aus dem Land, aus dem du kommst, zu weh tut, dann geht man eben.' Und dann fängt sie an zu weinen." Schon wieder.

Jetzt wissen wir es endlich! Ein total fehlkonstruierter Satz zwar, aber er offenbart das ganze Geheimnis der Romy Schneider: Das Vaterland! Das Vaterland fehlte ihr! Dieses schmerzvolle Bekenntnis hat die Nationalfeministin dem Weltstar, dem sie in Wahrheit ja wohl nie begegnet ist, in den Mund gelegt.

So wie Rumpelstilzchen der Königin ihr Kind klaut, saugt sich Alice Schwarzer an Romy Schneider fest. Sie schmückt sich mit fremden Federn, zehrt vom fremden Nimbus.

"Verführen ist ihre Leidenschaft, nicht Verführung", weiß Alice Schwarzer. Das ist zwar Unsinn, klingt aber so weise...


P.S.: Alice Schwarzer ist schon wieder einen Schritt vorausgegangen. Inzwischen hat Emma dafür gesorgt, daß Leni Riefenstahl die gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung nicht vermissen muß. Triumph des Mutwillens!