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Ausgewählte Beiträge aus dem Satire-Magazin DER METZGER


Lina Ganowski:

Glückliche Kühe


(Der Metzger Nr. 71, Oktober 2004)


Das Fernsehen hat nicht nur die Bilder der prominentesten US-Soldatin Lynndie England gezeigt, auf denen sie als glückliche Menschenschinderin zu sehen ist. Wieder zurück in ihrer Heimat wurde sie interviewt, und man sah das stupide Mondsgesicht einer Wortkargen. Die Augen winzigklein. Infantiler Trotz. Ein Kind, das beleidigt ist, weil man ihm die Streichhölzer weggenommen hat, bloß weil es das Haus angezündet hat. Sie schmollt, denn sie hat keinen Orden, sondern eine Anklage am Halse hängen, obwohl sie das getan hat, was jedem in ihrer Armee eingehämmert wurde. „Manche nennen mich die Heldin von Bagdad.“ Menschenschinderei ist der Heroismus der Dummen. Um vor dem Feinde tapfer zu sein, muß jener auf dem Boden liegen. Lynndie England ist aufgewachsen in einem Land, in dem Einfalt und Brutalität eine Einheit bilden. Sie ist eingetreten in eine Armee, die den Unterprivilegierten, Schwarzen und Frauen, den Geschundenen, eine kleine Aussicht darauf verspricht, zu Schindern zu werden.

Ihre Schwester hat auch im Fernsehen geredet. „Wenn Lynndie fotografiert wird, dann lächelt sie eben.“ So gehört sich das. Lynndie ist nämlich ein braves Kind. Und sie ist für manche (für viele?) die Heldin von Bagdad. Eine andere Art von Held gibt es dort nicht, wenn man mit der Macht geht. Der Leutnant Calley, der für das Massaker in My Lai verantwortlich war, war für manche (für viele!) der größte Held des Vietnam-Krieges, auch für die Regierung, die ihn begnadigte und dafür sorgte, daß er die Strafe, zu der der Massenmörder verurteilt wurde, nicht anzutreten brauchte.

Lynndie England ist zu einem Problem geworden. Wie will man einen Krieg gewinnen, der nur durch Grausamkeit zu gewinnen ist, der aber der Welt als Wohltat verkauft werden muß. Wer etwas zu rechtfertigen oder zu vertuschen hat, hat jetzt kein leichtes Spiel, am wenigsten die, die immer dagegen sind, daß man die Kleinen hängt und die großen laufen läßt (sie möchten auch nicht die Großen hängen, sondern am liebsten auch die Kleinen laufenlassen, damit niemand für seine Schuld einstehen muß). Nein, sie hat nicht auf Befehl gehandelt. Sie gehörte nicht zu der Einheit, die die Gefangenen „bewachte“. Sie war mit einem aus dieser Einheit befreundet (befreundet?) und hat sich so Zutritt zu dem Foltergefängnis verschafft, um sich mit Menschenschinderei ein wenig die Langeweile zu vertreiben.

Was an denen, die im Krieg zu Schindern werden, auffällt, ist ihre Plattheit, ihre geradezu langweilende Durchschnittlichkeit, die „Banalität des Bösen“. Der Krieg gibt der dummen Gans die Möglichkeit, ihre seelische Grausamkeit in den Dienst des Vaterlandes zu stellen, die sonst nur gegen Kinder, Ehemänner und Schwiegertöchter gerichtet werden kann. „First you must learn to smile when you kill if you wanna be like the folks on the hill“, heißt es bei John Lennon. Der Imperialismus braucht solche, die nicht mit der Wimper zucken.

Lynndie England ist aufgewachsen in einer Gesellschaft, in der die Sexualität unterdrückt wird und darum als Mittel der Unterdrückung benutzt werden kann. Kein Krieg wird geführt und kein Krieg kann wohl auch geführt werden, ohne die Sexualität als Mittel der Unterdrückung zu benutzen. Frauen waren nicht die einzigen, aber die größten Opfer sexualisierter Gewalt in Krieg und Frieden. Jetzt haben auch Frauen Zutritt zur Uniformität der Kasernen, sie können jetzt auch Täterinnen sein. Das ist der Fortschritt.

Lynndie England sprach von der glanzvollen Karriere, die sie sich vom Eintritt in die Armee versprochen hat. Und jetzt das! Sie schmollt. Sie stellte sich etwas vor, was die Armeewerber aller Zeiten den Dorftölpeln versprachen: „Join the army and see the world!“ „Join the army and see the navy“, hieß es bei den Marx-Brothers.

Heute wird das Handwerk der Armeewerber von Feministinnen ausgeübt. Join the army und steige auf. Es ist dieselbe Lüge in lilaoliver Verpackung. Die jungen Frauen in den USA wachsen auf in einer Atmosphäre, die von der großen Koalition aus Konservatismus und Feminismus geprägt ist. Diesem natürlichen Bündnis ist der Abwehrreflex gegen jeden Anflug von Lust gemeinsam. Lust wird geneidet, Sinnlichkeit ist Sünde. So wird Sexualität zum Werkzeug des Hasses.

Die Botschafterin des US-imperialistischen Feminismus, Alice Schwarzer, hat den Frauenwehrdienst als Lebensaufgabe betrieben. Denn der Dienst von Frauen in der imperialistischen Armee ist das deutlichste Manifest der Integration der Frauenbewegung, ihrer Beschränkung auf Veränderungen nur im Rahmen des bestehenden Gesellschaftssystems: Mitmachen statt Verweigerung, Befehl & Gehorsam statt Emanzipation. Sie hat ihrer naiven Anhängerschaft eingeredet, daß der Dienst in der Armee ihre Stellung in der Gesellschaft verbessert. Diese Glitzerfassade von einer Armee der Frauen hat durch den irakischen Folterskandal Risse bekommen. Das konnte die Selbstdarstellerin nicht einfach übergehen. Sie mußte wieder einen Wortschwall loslassen, um denen gut zuzureden, die die Erkenntnis fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Und sie hat es getan:

„Hier geht es nicht darum, zu behaupten, die Soldatinnen seien unschuldig und 'auch nur Opfer'. Und es geht schon gar nicht darum, zu behaupten, Frauen seien von Natur aus zu nichts Bösen fähig.“ (Zitate aus Emma 4/2004).

Was soll das heißen? Daß für Frauen das Recht reklamiert wird, nicht unschuldig sein zu müssen, daß Frauen das Recht haben, Täterinnen zu sein, daß sie zu Bösem berechtigt sind. Anders ergäbe dieser Satz im Kontext gar keinen Sinn. Denn so geht es weiter:

„Die Soldatinnen (sind) nichts als Statistinnen in pornografischen Inszenierungen.“ Und: „Es drängt sich immer mehr der Eindruck auf, daß hier nicht nur die Gegner erniedrigt werden sollten, sondern auch die Frauen in den eigenen Reihen. Denn ihr Anspruch zur gleichberechtigten Teilhabe an der mächtigsten Institution eines Staates, dem Militär, gefährdet … männliche Privilegien.“ „Es drängt sich immer mehr der Eindruck auf“ ist eine nebulöse Formulierung. Das ist Beweisführung ohne Beweis. Wo Argumente und Fakten fehlen, muß irgendein „Eindruck“ herhalten, der sich „immer mehr aufdrängt“. Wer sich so ausdrückt, will ablenken, will täuschen. Die übliche demagogische Verschleierungsmethode: Täter werden zu Opfern. Die Täterinnen waren (unter Hypnose?) bloß Statistinnen. Der Folterskandal, der die Illusion von der „gleichberechtigten Teilhabe“ an der allermächtigsten Institution einstürzen läßt, wird als Trick einer Männerverschwörung zum Schutz angeblich „männlicher Privilegien“ aufgetischt. Als ob der Frauenwehrdienst „männliche Privilegien“ gefährden würde! Als ob der Frauenwehrdienst in hartem Kampf um Gleichberechtigung der „Männerwelt“ abgetrotzt worden wäre! Der Frauenwehrdienst war doch in der neoliberalen Gesellschaft leicht durchsetzbar.

Aber Alice Schwarzer, deren Anliegen es ist, Ressentiments gegen alles Morgenländische zu schüren, braucht ihre Verschwörung: „Daß solche Bilder außerdem westliche Frauen dem traditionellen Frauenhaß arabischer und islamistischer Männer noch stärker ausliefern, ist vermutlich eine willkommene Nebenerscheinung.“

Wem willkommen? Wer sollte ein Interesse daran haben, „westliche“ Frauen dem Frauenhaß arabischer Männer auszuliefern? Wer zieht da die Fäden einer monströsen Verschwörung? Von allen Verschwörungstheorien ist die feministische wohl die abenteuerlichste.

Als Fazit fällt der Selbstdarstellerin nichts besseres ein, als für stärkere Positionen für Frauen innerhalb der US-Armee zu werben. Denn sie glaubt und will glauben machen, daß der Dienst in der Armee „Teilhabe an der mächtigsten Institution“ sei. Sie glaubt und will glauben machen, daß der Soldat (die Soldatin) an der Macht „teilhat“. Wer ihr glaubt, ist so naiv wie der Kleinaktionär, der auf eine Mark Lohn verzichtet, damit die Dividende um 5 Pfennig steigt. So ist die Illusion: Wer sich den Mächtigen andient, bekommt von der Macht etwas ab. Im Krieg ist diese Illusion tödlich. Wer diese Illusion nährt, muß bekämpft werden.

Wer sich den Mächtigen andient, wird zu ihrem Diener, dient jenen, deren Macht nicht zuletzt auch darauf beruht, daß Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Wer in den Krieg zieht, wird als Schlächter ausgeschickt und endet als Schlachtvieh.