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Ausgewählte Beiträge aus dem Satire-Magazin DER METZGER


Helmut Loeven:

Napoleon ist an allem schuld

(Der Metzger Nr. 71, Oktober 2004)

In Zeiten wie diesen, wo alles drunter & drüber geht…

Also, drunter & drüber ist es zu allen Zeiten gegangen, das ist nichts Besonderes. Neu ist, daß jetzt alle wissen, wer an allem Schlamassel in der Welt schuld ist: Oskar Lafontaine!

Die SPD hat die Landtagswahl im Saarland verloren. Daran kann auch nur Oskar Lafontaine schuld sein, findet die SPD. CDU-Müller, der die Wahl gewonnen hat, kann das Bedauern über das Desaster der SPD natürlich nicht teilen, findet aber auch ein Unheil, das er dem Lafontaine in die Schuhe schieben kann: Die 4 Prozent der NPD.

Anfang September hat es zwar nicht gehagelt. Aber wenn es gehagelt hätte, wüßten wir, wer schuld daran ist.

Daß die SPD für ihr Desaster im Saarland Oskar Lafontaine verantwortlich macht, zeigt, daß dieser Partei der Bezug zur Realität allen Unkenrufen zum Trotz immer noch erhalten geblieben ist. Hat doch die Partei ausgerechnet im Saarland, wo Oskar wütet, zum ersten Mal seit langer langer Zeit eine Wahl verloren. Ach, hätte der Oskar doch nur den Mund gehalten! Dann hätte die SPD im Saarland zweifellos mal wieder einen ihrer grandiosen Siege erringen können!

Ich will den Lafontaine ja gar nicht besser machen als er ist. Aber daß er schlechter gemacht wird als er ist, müßte auch die bedenklich stimmen, die nicht an seinen Lippen hängen. Was das politische und publizistische Establishment gegen ihn ins Feld führt, ist nicht Kritik, sondern Ressentiment. Das begann, als er 1999 als Finanzminister und SPD-Chef zurücktrat - aus ehrenwerten Gründen. Er war schlichtweg nicht bereit, eine Politik zu vertreten, die er nicht zu verantworten können glaubte. Aber für die Gründe interessierte sich kein Mensch. Es wurde nur mißbilligend registriert, daß da einer aus der Reihe getanzt war. Das widerspricht der sozialdemokratischen Mentalität der Sozialdemokraten im besonderen und der Mentalität der Deutschen im allgemeinen. Weh dem, der aus der Reihe tanzt! Erwartet wird: Gleichschritt. Egal, wohin. Hauptsache: Formation.

Fragen Sie doch mal irgendjemanden auf der Straße, was Demokratie ist. Wenn man Ihnen überhaupt eine Antwort gibt, wird die ungefähr so lauten: In der Demokratie entscheidet die Mehrheit.

Das ist das Mißverständnis, das entsteht, wenn demokratische Staatsform und undemokratische Gesellschaft aufeinandertreffen. Die Mehrheitsentscheidung wird für das Wesentliche an der Demokratie gehalten. Dabei ist die Mehrheitsentscheidung nur ein Notbehelf, und sie darf auch nur in einem sehr beschränkten Rahmen angewendet werden. Keine Mehrheit, und sei sie noch so groß, wäre befugt, die Menschenwürde zu verletzen oder das Recht außer Kraft zu setzen. Gerade nach solchen unstatthaften Befugnissen lechzt die Mehrheit.

Demokratie ist in Wirklichkeit: Garantie gegen Faschismus, Rassismus, Militarismus, Krieg, Willkür und wirtschaftliche Übermacht. Für die Demokratie ist der Schutz der Minderheit wesentlicher als der Wille der Mehrheit. Im demokratischen Denken ist die Minderheit wichtiger als die Mehrheit, der Rand wichtiger als das Zentrum, der Einzelne wichtiger als die Masse.

Als in Deutschland die Demokratie importiert wurde, haben die Leute nicht richtig hingehört. Vom „Schutz von Minderheiten“ war die Rede. Da haben sie gesagt: „Wat? Schutz vor Minderheiten? Dat machen wir!“

Die Einführung der Demokratie in Deutschland beruht auf einem Hörfehler.