WB-Logo

Buchhandlung Weltbühne
Stand: 28.9.2006

Inhalt und Impressum Chronik der Änderungen Vorwort Ladenlokal Lieferbedingungen Datenschutzerklärung
Neu eingetroffen Verlagsneue Bücher Ohrauf: CDs und Cassetten Videos und DVDs
Antiquariats-Liste Antiquariat Spezial Antiquariat Abkürzungen
Der fliegende Koffer Situationspostkarten Boudoir
METZGER-Index METZGER-Archiv METZGER-Glossar
Bücher von Helmut Loeven
Amore e rabbia
Weblog von Helmut Loeven

Externe Links:A.S.H. Pelikan
Hafenstadt-BlogMarvin ChladaDFG-VK Duisburg

Metzger-Archiv

Ausgewählte Beiträge aus dem Satire-Magazin DER METZGER


Lina Ganowski:

Tiere sehen dich an


(DER METZGER 73 - Juni 2005)


Nordrhein-Westfalens SPD-Chef Harald Schartau sprach von einer „unglaublichen Entgleisung“. Paul Spiegel vom Zentralrat der Juden fand es „absurd“. Der Pressereferent der SPD-Bundestagsfraktion fand es „an den Haaren herbeigezogen“. SPD-Vizefraktionschef Michael Müller forderte eine Entschuldigung. Weniger empört, mehr fatalistisch meinte der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend: „Der Mann hat sie nicht alle.“

Das ist keine neue Erkenntnis. Heiner Geißler (CDU) hatte ihm einst bescheinigt, er habe „den Verstand verloren“.

Die Rede ist mal wieder von Michael Wolffsohn. Der Professor an der Münchener Bundeswehrhochschule sagt manchmal Sachen, bei denen die Leute den Kopf schütteln oder die Hände über selbigem zusammenschlagen. Ihm bleibt nicht viel anderes übrig. Weil sich für seine Qualitäten als Historiker keine Belege finden lassen, muß er zusehen, in die Schlagzeilen zu kommen.

So vor einem Jahr, als er äußerte, im Kampf gegen „Terroristen“ sei Folter ein legitimes Mittel. Seine damalige Äußerung hat er im Stundentakt dementiert und bestätigt. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte ihn daraufhin zu einem persönlichen Gespräch einbestellt, aber – ganz Sozialdemokrat – sich zu disziplinarrechtlichen Konsequenzen nicht durchgerungen.

Die neuerlichen Betrachtungen über seinen Gemütszustand hatte Wolffsohn hervorgerufen durch einen Artikel in der Rheinischen Post. Darin hatte er die von SPD-Chef Franz Müntefering geäußerte „Kapitalismus-Kritik“ mit der Nazi-Hetze gegen Juden verglichen.

Ohne Müntefering namentlich zu erwähnen, bezog sich Wolffsohn auf dessen Vergleich von Finanzinvestoren mit Heuschrecken. 60 Jahre nach Kriegsende würden wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt. „Das sind Vokabeln aus dem Wörterbuch des Unmenschen“. Wolffsohn schrieb in seinem Beitrag aus Anlaß des Jahrestags des Kriegsendes am 8. Mai, daß heute die alten Denkmuster wieder da seien. „60 Jahre 'danach' werden heute wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt, die – das schwingt unausgesprochen mit – als 'Plage' vernichtet, 'ausgerottet' werden müssen. Diese 'Plage' nennt man heute 'Heuschrecken', damals 'Ratten' oder Judenschweine'.“

Den Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai hätte der Professor sich zum Anlaß nehmen sollen, sich daran zu erinnern, daß Sozialdemokraten Opfer der Verfolgung durch das Regime der Antisemiten waren, an deren Ideologie anzuknüpfen er ihnen als Zeug zu flicken versucht. Doch diese Abrechnung mag die SPD dem degoutanten Geschichtsverdreher präsentieren, falls sie dazu in der Lage ist.

Der Hinweis, wer da wen verfolgte und von wem da wer bezahlt wurde und wer da an wen anknüpft und wer nicht, ist aber nicht an den Geschichtsfälscher im Professorenrang gerichtet, sondern an alle, die vor Geschichtsfälschern im Professorenrang zu warnen sind.

Dann darf man dem Professor, dessen Namen einen tierischen Klang hat, ruhig nachsagen, daß er sie nicht alle hat, nicht aber, er hätte einen Vogel. Was aber hat der Professor, der im Dienst der Bundeswehr steht, dazu zu sagen, daß in den Streitkräften da und dort zu hören ist, die Rekruten in dieser oder jener Kompanie seien ein „Sauhaufen“? Über Leute, an die man bei Wolffsohn denken muß, nämlich lästige Verwandte, wurde auch schon gesagt, sie seien über den Tisch hergefallen „wie die Heuschrecken“. Sowas ist doch eine Schweinerei. Aber manche sind bescheidener und „essen wie ein Spatz“. Über „Hasi“ und „Mausi“ wollen wir nicht reden, auch nicht über Männer mit Bärenkräften oder über solche, die wie ein Pferd schuften müssen. Aber wir sollten doch mal überlegen, ob man der Wirklichkeit näher ist, wenn man das Kapital mit einem Heuschreckenschwarm vergleicht oder mit einem scheuen Reh. So unglaublich es auch klingt, diese Metapher hat man schon gehört. Ähnlich äußerte sich auch wieder der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt (sic!): die „offenbar aus Wahlkampfgründen vom Zaun gebrochene Debatte“ werde ausländische Investoren abschrecken.

Welcher Vernichtungswille zum Ausdruck kam, als man Adenauer als alten Fuchs bezeichnete, hätte niemand geahnt, würde er nicht von Professor Wolffsohn mit der Nase drauf gestoßen.

Es ist nicht mehr zu bestreiten: der griechische Fabeldichter Äsop war der erste Antisemit.